Nabelschnurblut spenden, einlagern oder auspulsieren?

Das Wichtigste in Kürze

  • Es gibt zwei Optionen: Die Spende des Nabelschnurblutes an eine öffentliche Blutbank oder die individuelle Einlagerung bei einer privaten Nabelschnurblutbank.
  • Gegebenenfalls sind auch eine gerichtete Spende und eine individuelle Einlagerung mit der Option auf Spende möglich.
  • Die Nabelschnurblutentnahme steht einem Auspulsieren der Nabelschnur entgegen.
  • Kinder, deren Nabelschnur erst später abgeklemmt wurde, entwickeln seltener einen Eisenmangel.
  • Bei der Entscheidung zwischen spenden, einlagern oder auspulsieren gibt es kein Richtig oder Falsch. Alle drei Optionen sind legitim und nachvollziehbar.

Nabelschnurblut kann Leben retten. Es ist daher zweifellos zu schade, um es nach der Geburt einfach zu entsorgen. Werdende Eltern sollten sich also fragen, ob sie dieses wertvolle Gut nicht spenden oder einlagern möchten. Sie sollten sich jedoch darüber im Klaren sein, dass ein Auspulsieren der Nabelschnur dann allerdings nicht möglich ist. Sobald die Nabelschnur komplett auspulsiert hat, existiert zwischen der Plazenta und dem Kind schließlich kein Blutfluss mehr. Die Chance, nach dem Auspulsieren noch genügend Nabelschnurblut für eine Einlagerung oder eine Spende zu sichern, ist daher gering.

Soll ich mich für eine private Einlagerung entscheiden und die – wenn auch derzeit (noch) ungewisse – Chance nutzen, meinem Kind durch die eingelagerten Nabelschnurblut-Stammzellen womöglich einmal das Leben zu retten? Oder sollte ich das Nabelschnurblut spenden, um somit vielleicht direkt das Leid eines anderen Menschen zu lindern? Bin ich egoistisch, wenn ich mich für eine Einlagerung entscheide? Oder sollte ich beide Optionen verwerfen und mich stattdessen lieber für ein Auspulsieren der Nabelschnur entscheiden und das nach der Geburt noch in der Plazenta und der Nabelschnur enthaltene Blut meinem eigenen Kind zugutekommen lassen? Könnte sich ein frühzeitiges Abnabeln irgendwie nachteilig auf mein Kind auswirken? Diese und weitere Fragen stellen sich vermutlich alle werdenden Eltern, die eine Spende oder eine Einlagerung in Erwägung ziehen.

Um es vorweg zu nehmen: Bei diesem Thema gibt es selbstverständlich kein Richtig oder Falsch. Entscheidet man sich für eine Spende oder eine Einlagerung des Nabelschnurblutes ist dies ebenso nachvollziehbar und legitim wie eine Entscheidung zugunsten des Auspulsierens der Nabelschnur.

Nabelschnurblut-Spende an eine öffentliche Spenderbank

Öffentliche Nabelschnurblutbanken nehmen Nabelschnurblut nur als Spende entgegen. Die Blutprobe wird im Labor anonym aufbereitet und gelagert. Anschließend steht sie weltweit allen Patienten zur Verfügung, die ein Stammzelltransplantat benötigen. Die Finanzierung einer öffentlichen Nabelschnurblutbank erfolgt durch Spenden. Für die Eltern, die das Nabelschnurblut zur Einlagerung zur Verfügung stellen, fallen keine Kosten an. Wird ein Stammzelltransplantat benötigt und steht in der Nabelschnurblutbank ein passendes zur Verfügung, zahlt die Krankenversicherung eine Aufwandsentschädigung an die Bank. Öffentliche Banken gibt es in Deutschland in Düsseldorf, Hannover, Mannheim, Dresden, Erlangen, Freiburg und München.

Die meisten Ärzte sprechen sich für eine Spende des Nabelschnurblutes an eine öffentliche Nabelschnurblutbank aus. Die gespendeten Stammzellen aus dem Nabelschnurblut kommen z.B. immer häufiger als Alternative zur Knochenmark-Stammzellspende für Leukämiepatienten zum Einsatz. Durch eine Spende des wertvollen Nabelschnurblutes kann man also womöglich ein Leben retten. Allerdings gibt man bei einer rein öffentlichen Spende alle Rechte an die Nabelschnurblutbank ab. Somit entfällt sämtlicher Anspruch auf das eingelagerte Präparat.

Was spricht also konkret für, was eher gegen eine Spende an eine öffentliche Nabelschnurblutbank?

Pro:

  • Das Nabelschnurblut steht Patienten weltweit zur Verfügung. Die Stammzellen aus dem Nabelschnurblut bieten einem Patienten mit passenden Gewebemerkmalen daher die Chance auf ein gesundes, neues Leben.
  • Während das Nabelschnurblut bei der privaten Einlagerung womöglich niemals gebraucht wird, könnten die gespendeten Stammzellen vielleicht schon morgen ein Leben retten.
  • Die Kosten für Transport, Untersuchung, Aufbereitung und Konservierung übernimmt in vollem Umfang die öffentliche Nabelschnurblutbank. Dem Spender entstehen keinerlei Kosten.
  • Bei einer Spende besteht zumindest immer auch die Chance, eigene Stammzellen für eine Transplantation im Bedarfsfall nutzen zu können. Allerdings nur dann, wenn die Stammzellen nicht bereits anderweitig gebraucht wurden.
  • Eine Spende des Nabelschnurblutes beschert die Gewissheit, etwas Gutes zu tun.

Contra:

  • Bei einer Spende des Nabelschnurblutes entfällt sämtlicher Anspruch auf das eingelagerte Präparat. Eltern können bei medizinischer Notwendigkeit ihr Transplantat bei der Spenderbank zwar anfordern, es besteht jedoch die Gefahr, dass es bereits anderweitig verwendet wurde.
  • Bei öffentlichen Nabelschnurblutbanken erfolgt keine Grund­finanzierung aus öffentlichen Geldern. Sie sind in ihrer Kapazität daher stark beschränkt und müssen viele Nabelschnurblutspenden auch ablehnen.
  • Weil das Budget der öffentlichen Nabelschnurblutbanken begrenzt ist, ist eine Nabelschnurblutspende meist nur in der Nähe einer solchen Bank möglich, nicht flächendeckend.
  • Nabelschnurblutspenden unterliegen strengen Ausschlusskriterien. Es kann sein, dass das Nabelschnurblut am Ende gar nicht eingelagert wird, da die Mindestzellzahl nicht erreicht wird.

Öffentliche Spenderbanken

In Deutschland gibt es momentan sieben öffentliche Banken, die Nabel­schnur­blut kostenlos einlagern. Die bekannteste öffentliche Nabelschnurblutbank dürfte die DKMS-Nabelschnurblutbank von der Deutschen Knochenmarkspenderdatei sein.

Diese öffentlichen Spenderbanken gibt es:

Nabelschnurblut-Einlagerung in einer privaten Spenderbank

Eine private Nabelschnurblutbank lagert die Stammzellen des neugeborenen Kindes für den privaten Gebrauchsfall ein. Die Kosten für die Aufbereitung und die Einlagerung der Stammzellen tragen die Eltern.
Der Vorteil einer individuellen Einlagerung des Nabelschnurblutes liegt auf der Hand. Während man bei einer rein öffentlichen Spende alle Rechte an die Nabelschnurblutbank abgibt, bleibt das Blut bei einer Einlagerung in einer privaten Nabelschnurblutbank dem eigenen Kind vorbehalten. Allerdings bringt eine Einlagerung durchaus auch Nachteile mit sich.

Was spricht also konkret für, was eher gegen eine Einlagerung bei einer privaten Nabelschnurblutbank?

Pro:

  • Die Stammzellen aus dem Nabelschnurblut bleiben Eigentum des Spenders. Die Eltern haben also jederzeit Anspruch auf das Nabelschnurblut-Präparat des Kindes.
  • Die eingelagerten Stammzellen aus dem Nabelschnurblut können unter Umständen der ganzen Familie helfen.
  • Die privaten Nabelschnurblutbanken bieten die Entnahme deutschlandweit in diversen Entbindungskliniken an, nahezu flächendeckend.
  • Private Nabelschnurblutbanken bieten auch Kombi-Varianten an, d.h. das Blut wird in erster Linie für das eigene Kind eingelagert, Spendenanfragen sind jedoch möglich. Eltern können sich also auch im Nachhinein noch für eine Spende entscheiden. Die bis dato gezahlten Gebühren werden den Eltern im Falle einer Spende erstattet.

Contra:

  • Bei der Einlagerung für die private Vorsorge entstehen für die Eltern nicht unerhebliche Kosten.
  • Man weiß weder ob das Kind krank wird noch ob das Nabelschnurblut dann helfen kann. Laut Bundesärztekammer ist „Für die Aufbewahrung von Nabelschnur-Präparaten zur späteren Eigenbehandlung zurzeit keine medizinische Indikation bekannt“.
  • Es gibt bisher kaum mehr als 15 Jahre Erfahrung mit gefrorenem Stammzell-Material. Ob die Präparate nach Jahrzehnten noch brauchbar sind, ist ungewiss.
  • Während das Nabelschnurblut bei der privaten Einlagerung womöglich nie zum Einsatz kommt und nach Ablauf der Vertragslaufzeit vernichtet wird, könnten die Stammzellen im Falle einer Spende womöglich Leben retten.
  • Bei kleineren Kindern werden Stammzell­trans­plantationen meist bei Blutkrebs oder Erbkrankheiten durchgeführt. In beiden Fällen sind Eigenspenden selten hilfreich. Ärzte setzen in diesem Fall auf Fremdtransplantationen.

Private Nabelschnurblutbanken

Bei den privaten Nabelschnurblutbanken sind Vita 34 und Eticur die bekanntesten Anbieter. Vita 34 gehört laut einer Studie des Institutes BioInformant, die im Jahr 2016 durchgeführt wurde, sogar in Top 10 der einflussreichsten und innovativsten Nabelschnurblutbanken weltweit.

Diese privaten Spenderbanken gibt es:

Hinweis: Bei der global in 40 Ländern tätigen Stammzellenbank Cryo-Save können derzeit aus rechtlichen Gründen in Deutschland noch keine Stammzellen einlagert werden. Künftig soll eine Einlagerung jedoch möglich sein. Die notwendigen Genehmigungsverfahren laufen.

Die Kombi-Variante

Neben einer öffentlichen Spende und der individuellen Einlagerung bietet sich werdenden Eltern auch die Möglichkeit einer privaten Einlagerung mit der Option auf Spende. Entscheidet man sich für diese Kombi-Variante, behält man das Recht an dem eingelagerten Präparat, die Daten werden jedoch auch im ZKRD (Zentrales Knochenmarkspender Register Deutschland) erfasst. Im Falle einer Anfrage liegt die Entscheidung, ob die Stammzellen für die Transplantation freigegeben werden, bei den Eltern. Kommt das Nabelschnurblut-Präparat im Rahmen einer Fremdspende zum Einsatz, wird den Eltern das Geld für die Einlagerung erstattet.

Klingt wie ein guter Kompromiss für alle, die sich nicht zwischen einer Spende und einer individuellen Einlagerung entscheiden können. Allerdings sollten sich werdende Eltern im Klaren darüber sein, dass eine solche Kombi-Variante sie unter Umständen in Gewissenskonflikte bringen kann. Erhalten sie eine konkrete Anfrage, sind sie es, die in diesem Extremfall entscheiden müssen, ob ein anderer Patient die Chance auf ein neues, gesundes Leben erhält oder ob das Blut für das eigene Kind eingelagert bleiben soll.

Die gerichtete Spende

Bei einem erkrankten Geschwisterkind, bei dem bereits eine Indikation zur Transplantation besteht, können Eltern die eigentlich freie Spende an eine öffentliche Nabelschnurblutbank auch als gerichtete Spende deklarieren. In diesem Fall wird das Nabelschnurblut für das erkrankte Familienmitglied reserviert. Der klare Vorteil: Die Wahrscheinlichkeit der Kompatibilität ist in diesem Fall deutlich höher als bei einer Fremdspende.

Nabelschnurblutentnahme vs. Auspulsieren

Manche Themen sind so komplex, dass sie nicht nur mit Richtig oder Falsch zu beantworten sind. Hierzu zählt definitiv auch das Thema „Nabelschnurblutentnahme versus Auspulsieren“.

Weshalb „versus“? Nun, ein Auspulsieren steht der Nabelschnurblutentnahme entgegen, da dadurch eine ausreichende Menge an Blut nicht mehr erreicht werden kann. Sobald die Nabelschnur komplett auspulsiert hat, existiert zwischen der Plazenta und dem Kind schließlich kein Blutfluss mehr, die Nabelschnurgefäße kollabieren.

Sowohl das Auspulsieren als auch die Nabelschnurblutentnahme haben jedoch ihre Legitimation. Jeder muss daher selbst für sich und sein Kind entscheiden, was mit dem Nabelschnurblut nach der Geburt passieren soll.

Das spricht für die Nabelschnurblutentnahme

Für eine Nabelschnurblutentnahme spricht ganz klar die Tatsache, dass man mit den aus dem Nabelschnurblut gewonnenen Stammzellen womöglich ein Leben retten kann. Denn: Die Stammzellen im Nabelschnurblut sind überaus wertvoll und können Krankheiten heilen. Befürworter einer Nabelschnurblutentnahme argumentieren daher, dass früh abgenabelt werden muss, um möglichst viele der Stammzellen zu gewinnen.
Ist ein Geschwisterkind oder ein naher Verwandter erkrankt und es besteht bereits eine Indikation zur Transplantation, bietet eine Nabelschnurblutentnahme eine hervorragende Chance. Denn: Das Nabelschnurblut kann in diesem Falle als gerichtete Spende für diese Person reserviert werden. Daher würde sich in solch einem Fall sicherlich (nahezu) jeder für eine Nabelschnurblutentnahme entscheiden.
Auch im Falle eines Kaiserschnittes sollte man eine Nabelschnurblutentnahme immer zumindest in Erwägung ziehen, da bei einem Kaiserschnitt mit dem Abnabeln in der Regel ohnehin nicht so lange gewartet wird. Das Baby und die Mutter müssen versorgt werden, daher tendieren die Ärzte in solch einem Fall dazu, die Abnabelung eher zügig vorzunehmen.

Das spricht für das Auspulsieren

Für das Kind ist die Entnahme des Nabelschnurblutes zwar vollkommen schmerz- und risikolos und schadet ihm nicht, allerdings hatten Kinder, deren Nabelschnur erst spät abgeklemmt wurde, in den ersten Lebensmonaten nachweislich bessere Eisenwerte im Blut. Durch ein späteres Abnabeln profitieren Säuglinge, Studien zufolge, zudem von einem entsprechend erhöhten Eigenblutvolumen von bis zu 30%. Selbst ein halbes Jahr später ist dieser Unterschied in den Blutwerten noch erkennbar, wie eine Cochrane-Studie zeigt. Spät abgenabelte Babys haben bzw. entwickeln also seltener einen Eisenmangel.

Gerade bei Frühgeborenen und Mehrlingen, die besonders stark zu Blutarmut neigen, raten Experten daher dazu, die Nabelschnur möglichst spät zu durchtrennen. Es sei denn, die Babys haben nach der Geburt gesundheitliche Probleme und müssen schnellstmöglich versorgt werden.

Ein weiteres Argument für das Auspulsieren ist, dass das Neugeborene seine Atmung langsam aufnehmen kann. Durch die Nabelschnur wird es schließlich weiterhin mit Sauerstoff versorgt.

Abgesehen davon fördert ein spätes Abnabeln, Studien zufolge, auch die Mutter-Kind-Bindung. Die Mutter kann die Verbindung zwischen ihrem Baby und sich ein letztes Mal fühlen und sehen, dem Neugeborenen erleichtert die weiterhin bestehende Verbindung zu seiner Mutter den Start in sein Leben. Dr. Sven Hildebrandt, niedergelassener Frauenarzt in Dresden, Mitbegründer einer der größten außerklinischen Geburtseinrichtungen in Deutschland und Präsident der Dresdner Akademie für individuelle Geburtsbegleitung, bezeichnet die nicht durchtrennte Nabelschnur in einem Artikel für die Deutsche Hebammen Zeitschrift (Ausgabe 12/2008) daher als ein wichtiges Bindungsglied zur Mutter, das dem Neugeborenen helfe, den „traumatischen Moment“ der Geburt besser wegzustecken.

Fazit

Jeder muss für sich selbst und das Baby entscheiden, ob eine Nabelschnurblutentnahme erfolgen soll oder ob man die Nabelschnur lieber auspulsieren lässt. Beide Standpunkte sind absolut gleichwertig und legitim. Es gibt bei dieser Entscheidung also kein Richtig oder Falsch!
Das gilt selbstverständlich auch für die Frage, ob man das Nabelschnurblut lieber spenden oder einlagern sollte. Zwar sprechen sich die meisten Ärzte für eine Spende aus, hält der medizinische Fortschritt jedoch, was er verspricht, könnte sich eine individuelle Einlagerung irgendwann auszahlen. Egoistisch ist eine private Einlagerung indessen keinesfalls. Alle Eltern haben das Recht, ihrem Baby durch eine vorsorgliche Einlagerung des Nabelschnurblutes die größtmögliche Sicherheit zu geben!


Antwort hinterlassen

Ihre Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.