Nabelschnurblutentnahme bei Frühgeburten

Das Wichtigste in Kürze

  • Öffentliche Nabelschnurblutbanken lehnen eine Nabelschnurblutspende im Falle einer Frühgeburt in der Regel ab.
  • Für private Nabelschnurblutbanken stellen Frühgeburten zunächst kein Ausschlusskriterium dar.
  • Das Nabelschnurblut bei Frühgeborenen weist oft nicht die für Therapiezwecke erforderliche Menge an Stammzellen auf.
  • Experten raten im Falle einer Frühgeburt eher zum Auspulsieren der Nabelschnur.

Jede Schwangerschaft birgt ihre Risiken. Dazu zählt auch das Risiko einer Frühgeburt. Eltern, die sich für eine Nabelschnurblutentnahme interessieren, stellen sich daher sicherlich die Frage, ob dies auch im Falle einer Frühgeburt möglich wäre.

Eine Schwangerschaft dauert in der Regel 40 Wochen. Komplikationen bei der Mutter und/oder dem ungeborenen Kind können jedoch zur Frühgeburt, also einem Frühstart ins Leben, führen.

Als Frühgeburten bezeichnet man ganz allgemein die Geburt eines noch nicht ausgetragenen, aber lebensfähigen Kindes. Aus medizinischer Sicht spricht man von Frühgeburten, wenn Babys vor dem Ende der 37. Schwangerschaftswoche geboren werden und/oder ihr Geburtsgewicht unter 2.500 Gramm liegt.

Private Nabelschnurblutbanken nehmen in der Regel auch Nabelschnurblutentnahmen bei Frühgeborenen vor. Die Ausschlusskriterien privater Nabelschnurblutbanken sind weniger streng als die der öffentlichen Banken. Der simple Grund: Anders als bei öffentlichen Nabelschnurblutbanken ist das Budget privater Nabelschnurblutbanken nicht begrenzt, da die Eltern für die Entnahme und die Einlagerung aufkommen. Sofern der Geburtsverlauf und der gesundheitliche Zustand des Frühchens direkt nach der Geburt nicht dagegen sprechen, kann eine Nabelschnurblutentnahme erfolgen.

Öffentliche Nabelschnurblutbanken hingegen lehnen eine Nabelschnurblutspende bei einer Geburt vor der 38. Schwangerschaftswoche in der Regel ab. Die Begründung: Erst im letzten Schwangerschaftsdrittel geht die Blutbildung ins Knochenmark des Kindes über. Zuvor übernehmen die Leber und die Milz diese Aufgabe. Diese Verlagerung findet über den Blutkreislauf des Kindes statt. Das Nabelschnurblut von zum errechneten Termin geborenen Babys ist daher besonders reich an Stammzellen. Bei Frühchen hingegen hat dieser Verlagerungsprozess womöglich noch nicht eingesetzt, so dass ihr Nabelschnurblut unter Umständen nicht die für Therapiezwecke erforderliche Menge an Stammzellen aufweist. Da sich öffentliche Blutbanken über Spenden finanzieren und die Spendengelder möglichst effizient eingesetzt werden müssen, schließen sie Nabelschnurblutentnahmen bei Frühgeburten normalerweise aus, auch wenn die Richtlinien der Bundesärztekammer erst „eine Frühgeburtlichkeit mit einem Geburtsgewicht unter 1.500 Gramm“ als Ausschlusskriterium vorgeben. Die Gefahr, dass das Blut nicht die für Therapiezwecke erforderliche Menge an Stammzellen aufweist und das Blut verworfen werden muss, ist zu groß. Und in diesem Fall wäre außer Spesen nichts gewesen.

Gerade bei Frühgeborenen, die besonders stark zu Blutarmut neigen, halten Experten eine Nabelschnurblutentnahme ohnehin für wenig sinnvoll. Sie raten vielmehr dazu, die Nabelschnur bei vorzeitig geborenen Babys möglichst spät zu durchtrennen – natürlich nur, sofern die Babys nach der Geburt keine gesundheitlichen Probleme haben und nicht schnellstmöglich versorgt werden müssen. Grundsätzlich bietet das Auspulsieren der Nabelschnur nämlich den besonders bei Frühgeburten nicht zu vernachlässigenden Vorteil, dass das Baby seine eigene Atmung langsam aufnehmen kann, während es durch die pulsierende Nabelschnur weiterhin mit Sauerstoff versorgt wird. Zudem haben Kinder, deren Nabelschnur erst später abgeklemmt wurde, in den ersten Lebensmonaten, Studien zufolge, bessere Eisenwerte im Blut und profitierten von einem entsprechend erhöhten Eigenblutvolumen von bis zu 30%.

Ein Auspulsieren steht der Nabelschnurblutentnahme jedoch entgegen. Die Chance, nach dem Auspulsieren noch genügend Nabelschnurblut für eine Einlagerung zu sichern, ist gering.

Wissenschaftler arbeiten derzeit jedoch an einem Verfahren, Stammzellen aus dem Nabelschnurgewebe für die Behandlung der sogenannten Zerebralparese (frühkindliche Hirnschädigung) zu nutzen. Die Zerebralparese tritt bei Frühchen häufig als Komplikation auf. Sie kann durch Sauerstoffmangel während oder kurz nach der Geburt ausgelöst werden. In einem Tiermodell konnten Wissenschaftler des Inselspitals Bern in ihrem Forschungslabor für pränatale Medizin bereits nachweisen, dass mittels Stammzelltransplantation aus dem Nabelschnurgewebe die Regeneration der frühgeburtsbedingten Hirnschädigung verbessert wird. Möglicherweise sind Mediziner also künftig gar nicht auf das Nabelschnurblut angewiesen. Allein die Stammzellen des Nabelschnurgewebes könnten ausreichen, um Regenerationsprozesse anzuregen. Ein vorzeitiges Abnabeln wäre dann nicht mehr notwendig. Diese Forschungen befinden sich allerdings noch im Anfangsstadium, der Erfolg ist daher ungewiss.
Bislang ist Vita 34 in Deutschland auch der einzige Anbieter, der eine Einlagerung des Nabelschnurgewebes anbietet.

Fazit

Ob eine Nabelschnurblutentnahme im Falle einer Frühgeburt sinnvoll ist, daran scheiden sich die Geister. Wohingegen die einen gerade bei Frühgeburten zu einem Auspulsieren der Nabelschnur raten, um dem Baby einen möglichst „sanften“ start ins Leben zu ermöglichen, raten andere auch bei einer Frühgeburt zur Nabelschnurblutentnahme. Schließlich könnte gerade bei „unreif“ geborenen Frühchen die Gesundheit beeinträchtigt sein. Und womöglich könnten die aus dem Nabelschnurblut gewonnenen Stammzellen eines Tages helfen, mögliche Spätfolgen einer Frühgeburt zu beheben.

Werdende Eltern, die sich für eine Nabelschnurblutentnahme entschieden haben, sollten sich im Vorfeld daher immer auch Gedanken darüber machen, ob sie dies auch im Falle einer Frühgeburt machen möchten. Denn wer möchte eine solch schwierige Entscheidung schon gerne spontan im Kreißsaal treffen.


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